Kastration von Hündinnen und Rüden

Unfruchtbarkeit – Nur durch den Schnitt möglich?

Ob und in wie fern eine Kastration zunächst notwendig ist, gerade beim Hund, den man durchaus auch anders von seiner Fortpflanzung abhalten kann, ist fraglich. Es muss individuell entschieden werden, ob die Gründe dazu das kurzfristige aber auch das langfristige Risiko rechtfertigt. Rechtfertigt die menschliche Bequemlichkeit einen chirurgischen Eingriff am Tier? Der Gesetzgeber sieht das im Tierschutzgesetz definitiv nicht als Grund für eine Kastration vor.

Den Hund kann man von Artgenossen draußen an der Leine fernhalten. Den Vierbeiner kann man durchaus auch im Mehrhundehaushalt von Artgenossen des anderen Geschlechts fernhalten. Falls dies, aus welchen Gründen auch immer, wirklich Schwierigkeiten bereiten sollte, stellt sich die Frage, ob man zwangsläufig beide Tiere kastrieren muss. Vor allem, da man den Rüden z.B. auch ohne OP unfruchtbar machen kann.

Falls es doch zu einem ungewollten amourösen Abenteuer gekommen sein sollte, kann durch Medikamente eine Trächtigkeit noch immer von Beginn verhindert oder auch zu einem späteren Zeitpunkt, innerhalb ethischer Grenzen, abgebrochen werden.

Kastration zur „Verhaltenstherapie“

Wer meint, mit einer Kastration das Verhalten positiv beeinflussen zu können, der irrt grundlegend. Das alltägliche Verhalten z.B. aggressiver Tiere, insbesondere dem Menschen oder anderen Hunden gegenüber, wird lediglich bei jedem fünften Hund positiv beeinflusst. Der finanzielle Aufwand und dass Sie Ihren Hund den Risiken einer Operation aussetzen, rentiert sich also nur bei einem von fünf Hunden.

Bei Hündinnen ist dies ein Umstand, der gegen eine Kastration bei aggressivem Verhalten spricht. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Kastration zu keiner Besserung führt, ist einfach zu hoch.

Bei Rüden ist dies differenzierter zu betrachten. Denn den Rüden kann man „probeweise“ kastrieren. Mittels eines Chips, den man unter die Haut setzt, werden dem Rüden die Hormone, und damit die Fruchtbarkeit, für entweder ca. sechs oder zwölf Monate genommen. Man kann also testen, ob eine Kastration wirklich das Verhalten ändern würde.

Ein Besitzer, der meint einen jungen hibbeligen und scheinbar hyperaktiven Hund kastrieren zu müssen, der wird mit einer Kastration Folgendes erhalten: einen hibbeligen, hyperaktiven und eben kastrierten jungen Hund. Die Ruhe im Hund kommt i.d.R. mit dem Alter. In Abhängigkeit von der Rasse, die man sich zugelegt hat, dauert dies mal länger, mal kürzer.

Ängstliche oder unsichere Hunde zu kastrieren, ist in der Regel kontraindiziert. Die Geschlechtshormone, insbesondere beim Rüden, prägen Selbstsicherheit eines Tieres erheblich. Wer einen ängstlichen Hund kastrieren lässt, riskiert stärkere Angststörungen.

In aller Regel ist ein guter Hundetrainer die beste Wahl, wenn es um Verhaltensauffälligkeiten geht. Nicht die Kastration!

Kastration soll die Gesundheit bewahren

Lange Zeit ging man davon aus, dass die Kastration bei Hündinnen z.B. bösartige Gesäugetumore vermeiden soll. Dies stellt sich in den Studien der letzten Jahre jedoch als unwahr heraus. Es entstehen Tumore im Gesäuge höchstwahrscheinlich unabhängig davon, ob kastriert oder nicht. Der Anteil bösartiger Tumore ist bei kastrierten Hündinnen sogar größer.

Wovor die Kastration schützt, ist eine Vereiterung der Gebärmutter. Aber deshalb eine Hündin prophylaktisch zu kastrieren ist obsolet. Der chirurgische Eingriff kann auch dann vorgenommen werden, wenn diese Erkrankung vorliegt. Sie ist dann regelrecht indiziert also medizinisch angebracht!

Beim Rüden verhindert eine Kastration die gutartige Wucherung der Prostata, ähnlich wie sie beim Mann auftritt. Allerdings neigen kastrierte Rüden vermehrt zu bösartigen Entartungen der Prostata. Wenn eine gutartige Wucherung der Prostata beim alten Rüden bestehen sollte, kann man diese durch den o.g. Chip oder durch chirurgische Kastration noch immer gut therapieren.

Kastration und die negativen gesundheitlichen Auswirkungen

Um es vorwegzusagen: die aufgeführte Erörterung ist bei weitem nicht vollständig, einfach weil es den Rahmen sprengen würde. Und dies zeigt auch schon, dass die negativen Auswirkungen wahrlich vielfältig und mannigfaltig sind.

Kastrierte Hunde neigen zu Übergewicht, da der Stoffwechsel stark heruntergefahren ist. Als Besitzer muss man sehr stark auf die Fütterung achten. Mit dem Übergewicht gehen gängige Komplikationen einher, wie Arthrosen in den Gelenken, Zuckerkrankheit, Herz-Kreislauf-Erkrankungen etc..

Die Neigung zu bestimmten bösartigen Tumorarten ist deutlich erhöht. Auch die Art von Gewebe, aus denen sich die Tumore entwickeln, ist ungünstiger als bei nicht kastrierten. Und damit verbunden sind schlechtere Prognosen.

Kastrierte Hunde haben häufig eine schlechtere Fellqualität, da der Stoffwechsel der Haut beeinträchtigt ist.

Außerdem haben kastrierte Hunde ein vielfach höheres Risiko Allergien und Unverträglichkeiten zu entwickeln.

Sie neigen zudem vermehrt zu hormonellen Entgleisungen, wie einer Unterfunktion der Schilddrüse oder einer Überfunktion der Nebennieren.

Die Anzahl an Problemen des Bewegungsapparates, insbesondere den Bändern, wie z.B. Kreuzbandrisse, ist bei kastrierten Tieren deutlich erhöht.

Wie bei jeder Operation kann es, abgesehen von den allgemeinen Narkosekomplikationen, zu schweren Blutungen, Entzündungen und Infektionen kommen. Kastration – was sich so leicht spricht, ist nicht leicht gemacht.

Kurzum: die Kastration ist nicht gut für die Gesundheit.

Wann sollte dann kastriert werden?

Da die Kastration ein chirurgischer Eingriff ist, sollte man sich als Besitzer über Wirkung, Nebenwirkung und Risiken einer Operation im Vorhinein Gedanken machen. Der Tierarzt wird Sie dazu nicht nur beraten sondern auch aufklären.

Es gibt nach dem genannten also eigentlich kaum Alltagsprobleme, die eine Kastration rechtfertigen.

Aber es gibt medizinische Indikationen:

  • Hodentumore / Gebärmutter- bzw. Eierstocktumore
  • Gutartige Prostatawucherung
  • Vereiterte Gebärmutter
  • Wiederkehrende starke, verhaltensändernde, und die Hündin stark einschränkende Scheinträchtigkeiten
  • Gesäugetumore, die nachweislich stark reaktiv auf Östrogen sind (eher die Ausnahme)
  • Wenn einer oder beide Hoden nicht in den Hodensack abgestiegen sind, da diese sehr stark zur tumorösen Entartung neigen werden
  • Und einige andere, die tierindivduell entschieden werden müssen.

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